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Seit mehreren Jahren forscht der Organisationssoziologe Stefan Kühl zu Moden im Management: „Agilität ist an sich nichts Neues. Unternehmen mussten sich schon immer an Umweltveränderungen anpassen und auf diese dynamisch, flexibel und schnell reagieren. Das Konzept gibt es schon seit Längerem“, so Kühl. Dabei taucht die Idee immer wieder unter einem neuen Namen in der Managementliteratur auf.
Doch was bedeutet agil sein konkret? An Definitionen mangelt es nicht. Die meisten ähneln sich, sind aber zum Teil wenig aussagekräftig. Dabei tauchen immer wieder die gleichen Elemente auf, die den Kern von Agilität ausmachen: Hierachien abbauen, Abteilungsgrenzen aufheben und Silos überwinden, sowie Entformalisierung / Komplexität reduzieren.
Da Agilität das aktuell dominierende Management-Konzept ist, verspüren viele CEOs einen wachsenden Druck, gegenüber ihren Shareholdern Position zu beziehen und im Unternehmen Veränderungen anzustoßen. Häufig starten Unternehmen mit einzelnen überschaubaren Stabsstellen, die auf agile Strukturen und Prozesse umgestellt werden, oder mit Agilitäts-Inseln innerhalb des operativen Kerns wie bspw. im IT-Bereich. Zum Teil werden auch Parallelstrukturen aufgebaut, die bspw. Trainings zu agilen Methoden anbieten. Was bislang aber häufig noch nicht klappt, so Kühl, ist der flächendeckende Transfer in die operativen Unternehmensbereiche. „Ich kenne in Deutschland bislang kein einziges Großunternehmen, das unternehmensweit Agilität eingeführt hat. Es sind alles nur Insellösungen“, gibt Kühl zu Bedenken.
Agilität verspricht zwar mehr Schnelligkeit und Effizienz, stellt Unternehmen aber auch vor Herausforderungen: Dazu zählen Probleme mit der Unternehmensidentität, eine zunehmende Politisierung des Miteinanders (wenn Hierarchiestufen herausgenommen werden, nehmen Machtkämpfe zu) sowie steigende Komplexität. Klar ist: Es gibt keine optimale Organisationsstruktur, jede Form produziert automatisch auch negative Effekte. Allerdings werden die negativen Effekte von Agilität bislang zu wenig thematisiert und diskutiert.
Ob Agilität ebenfalls nur ein vorübergehender Trend ist oder sich dauerhaft durchsetzen wird, ist bislang noch nicht abzusehen. Das ist auch von der wirtschaftlichen Situation abhängig: „In Zeiten der Rezession muss innerhalb kürzester Zeit über Anpassungen und Einsparungen entschieden werden, die dann top-down vom Management durchgesetzt werden“, so Kühl.